Handkes Stift Griffen

Peter Handkes Geburtsort Altenmarkt in Griffen zählt zur Katastralgemeinde der Pfarre Stift Griffen. Taufe, Erstkommunion oder Firmung von Handke sind deshalb in den Matrikeln von Stift Griffen vermerkt. Seine Familie mütterlicherseits (Siutz oder Sivez) lässt sich in den Matrikelbüchern sogar bis ins 18. Jahrhundert und weiter zurückverfolgen – erste Recherchen dazu sind in der Peter Handke Ausstellung zu sehen, die einen Stammbaum seiner Familie zeigt. Die verstorbenen Mitglieder von Handkes Familie sind am Friedhof des Stifts begraben.

Die besondere Bedeutung, die das Stift für Peter Handke hat, zeigt sich darin, dass er in seinem Schreiben immer wieder zu diesem Ort zurückkehrt – zu den beiden Kirchen, zum slowenischen Gottesdienst, zu dem von einer Wehrmauer gegen die Türken umschlossenen Friedhof mit den Familiengräbern, zur Sitzkuhle im Torbogen, zum Friedhof, dem Dreikönigsrelief im Kreuzgang, zum Obstgarten der Pfarre, zum Stifterwirt oder auch zur Kreuzung der Wege hinauf zur Grafenbachschlucht und ins Dorf.

Handkes Notizbücher beweisen in zahlreichen Einträgen seine intensive Beschäftigung mit dem Ort, den Gebäuden und Kunstwerken (man findet etwa seitenweise Beschreibungen darüber), aber auch mit seinen Kindheitserinnerungen an ihn. Die notierten Beobachtungen finden immer wieder, in veränderter Weise, Verwendung in den literarischen Texten. Dabei wird das Stift nie namentlich erwähnt, sondern meist nur als "Kirche", "Dorfkirche" oder "Stiftskirche" bezeichnet. 

In Romanen, Erzählungen und Theaterstücken (Auswahl)

DSIn Handkes erstem Roman "Die Hornissen" (1966) handelt ein Abschnitt vom "Kirchgang" der Familie Benedikt. Der Name der Kirche wird nicht erwähnt, aber die Beschreibungen passen auf Stift Griffen. Der Erzähler, Gregor Benedikt, schildert den genauen Ablauf der Liturgie. Er berichtet, wie er sich mit seinem Bruder in der Kirche wechselseitig die slowenischen Beschriftungen der Kreuzwegtafeln vorliest. Er beobachtet eine Frau am Friedhof, wie sie die Gräber gießt, und erinnert sich, dass zeitgleich, während die Familie in der Kirche sitzt, ein weiterer Bruder mit seinem Seesack den Weg zur Schlucht hinauf geht.

In "Die Stunde der wahren Empfindung“ (1975) wird der Österreichische Presseattaché in Paris, Gregor Keuschnig, durch einen Geruch im Hausflur plötzlich an seine Heimatkirche erinnert.

Der Friedhof von Stift Griffen ist sogar Vorbild für einen Schauplatz von Peter Handkes dramatischem Gedicht "Über die Dörfer" (1981): Darin steigt die Figur Nova mit einer Leiter auf die Friedhofsmauer (hinter sich die Gräber der Eltern der Geschwister Gregor, Hans und Sophie) und hält ihre Rede an die Menschheit, eine Apotheose der Kunst. Das Kind von Hans hat seinen Platz in der Sitzkuhle vor dem Eingang gefunden.

In "Die Wiederholung" (1986) ist die Kirche ein Zentrum des Familien- und Dorflebens; sie wird in der Erzählung von Filip Kobal immer wieder erwähnt. Im Zusammenhang mit den Osterritualen des Vaters zum Beispiel, oder weil ihm das Internat für Priesterzöglinge das Geheimnis, das vom Priestertum im Gottesdienst seiner Dorfkirche ausging, ausgetrieben hat. Ein anderes Mal erinnert ihn eine kleine Kirche im Karst an seine zuhause. Vor allem aber besinnt er sich an seine Begeisterung für die slowenische Litanei in der Kirche seines Dorfes, obwohl er ihn als Kind die im Dorf oder im Schulunterricht gesprochene slowenische Sprache eher abgestoßen hat.

In "Mein Jahr in der Niemandsbucht" (1994) erhält der Erzähler vom Pfarrer seines Heimatortes eine Kopie des Dreikönigsreliefs aus der Kirche seines Heimatdorfes. In einem eigenen Kapitel erzählt er später die "Geschichte des Priesters". Auch hier ist Stift Griffen, das namentlich nie erwähnt wird, Vorbild für den beschriebenen Ort.

In "Die morawische Nacht" (2008) phantasiert der Erzähler die Handlung in eine fernere Zukunft. Er berichtet von einer Reise in sein Geburtsdorf, zum Haus seiner Eltern, das jetzt seinem Bruder gehört, und auch zum Stift, das nun von den Häusern einer Neusiedlung umgeben ist, in der auch eine Moschee steht, sodass das Tor zum Friedhof durch die Muezzin-Stimme auf ihn anders wirkt. Die alten Wahrzeichen sind trotz aller Veränderungen noch zu erkennen – die drei Könige, der Friedhof mit den Familiengräbern (wieder gießt eine Frau die Gräber), die Sitzkuhle und der Obstgarten hinter der Mauer.